Die Beziehungsebene in der Zusammenarbeit
Was tun, wenn Argumente nicht ausreichen und wie wir uns wirklich verstehen können. Kennst du das auch? Manchmal sind wir in einer Diskussion, und es scheint so, als ob nur das vermeintlich bessere Argument zählt. Besonders in der Zusammenarbeit, wenn wir gemeinsam etwas erreichen wollen, kann es schmerzhaft sein, wenn wir uns ausschließlich auf der sachlichen Ebene bewegen.
Dabei gibt es eine Grundregel in der Kommunikation, die ich immer wieder beobachte: Beziehung geht vor Inhalt. Diese Erkenntnis ist nicht neu, aber in der Praxis oft schwer umzusetzen. In meiner Arbeit, etwa in der videobasierten Beratung in Kitas und Einrichtungen der Behindertenhilfe, habe ich zahlreiche Kommunikationsprozesse begleitet und analysiert. Eine spannende Erfahrung war, als ich einmal den Ton einer Aufnahme verlor. Zuerst dachte ich, die Aufnahme sei unbrauchbar, doch ich entschied mich, das Video trotzdem zu nutzen. Ohne den Ton waren die gesprochenen Inhalte plötzlich irrelevant – wir konzentrierten uns ausschließlich auf die Körpersprache, Mimik, Gestik und andere nonverbale Signale.
Die Beobachtungen waren faszinierend: Gelungene Kommunikation findet nicht nur auf der Inhaltsebene statt, sondern vor allem dann, wenn eine Person der anderen nonverbal folgt. Das bedeutet, nicht nur darauf zu warten, das nächste Argument zu platzieren, sondern wirklich präsent zu sein – mit einer offenen Körperhaltung, einem interessierten Blick und echtem Interesse am Gegenüber.
Ein passendes indigenes Sprichwort lautet: „Gehe tausend Schritte in den Schuhen einer anderen Person, um sie zu verstehen.“ Dies bedeutet, dass wir uns auf unser Gegenüber einlassen und nicht nur bei uns selbst und unseren Argumenten verweilen. Wenn wir das schaffen, können wir Konflikte auf einer ganz anderen Ebene lösen.
Denke zum Beispiel an Talkshows: Hier geht es oft nicht darum, in Beziehung zu treten, sondern eher darum, mit dem besseren Argument zu gewinnen und die andere Person im besten Fall bloßzustellen. Doch es gibt auch Formate, die es anders versuchen. Ein gutes Beispiel ist die ZDF-Sendung „Sag’s mir“, in der Menschen mit völlig unterschiedlichen Meinungen aufeinandertreffen, ohne zu wissen, wer die andere Person ist. Alle äußeren Merkmale, die Rückschlüsse auf die Herkunft oder Gruppenzugehörigkeit zulassen könnten, werden verdeckt. Die Diskussion startet nicht mit Argumenten, sondern mit persönlichen Fragen, die darauf abzielen, den Menschen hinter der Meinung kennenzulernen.
Fragen wie „Welche Phase in deinem Leben war besonders herausfordernd für dich?“ oder „Wenn du morgen mit einer neuen Eigenschaft aufwachen könntest, welche wäre das?“ ermöglichen es den Teilnehmenden, sich auf einer tieferen Ebene zu begegnen. Erst nach dieser persönlichen Annäherung wird das eigentliche Diskussionsthema besprochen. Das Ergebnis? Auch bei stark unterschiedlichen Meinungen läuft die Diskussion in der Regel respektvoll und konstruktiv ab.
Wenn wir Menschen auf der Beziehungsebene begegnen, hat das eine nachhaltige Wirkung. Wir können besser zuhören, uns einfühlen und offen für neue Perspektiven sein. Das ist es, was ich in meiner Arbeit immer wieder erlebe. Wenn wir uns auf Beziehungsebene verstanden fühlen, können wir inhaltlich härter diskutieren, weil die Basis des gegenseitigen Respekts vorhanden ist.
In der Arbeitswelt ist das genauso: Wenn ich eng mit jemandem zusammenarbeite, ist es mir wichtig zu wissen, woher die Person kommt, was sie motiviert und welche Schmerzpunkte sie hat. So kann ich Rücksicht nehmen und eine stabile Beziehung aufbauen, die auch intensivere Diskussionen aushält.
Zusammengefasst: Wenn wir es schaffen, die Beziehung vor den Inhalt zu stellen, dann haben wir die Chance, uns wirklich zu verstehen und gemeinsam Lösungen zu finden – nicht nur durch Argumente, sondern durch echtes Verständnis.
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