Kritik ermöglicht Gestaltung und Entwicklung. Es kann zwischen konstruktiver und destruktiver Kritik unterschieden werden, dabei beinhaltet jede Kritik immer auch eine Selbstoffenbarung.
Wenn wir die Selbstoffenbarung sehen, das Schöne in den Botschaften erkennen und davon überzeugt sind, dass Menschen in jedem Moment ihr Bestes geben, um ihre eigenen Bedürfnisse zu erfüllen, dann wäre es grundsätzlich leichter, mit Kritik umzugehen.
Außerdem liegt in der Kritik, auch wenn sie im ersten Moment unangenehm erscheint, viel Schönes: Jemand tritt mit mir in Kontakt, damit es im Miteinander schöner werden kann. Mein Gegenüber spricht mich direkt an und nicht über Umwege wie zum Beispiel Lästereien.
Wenn wir also Kritik weniger als Bedrohung und mehr als Geschenk sehen, dann wird es interessant.
Stell dir vor, dein Gegenüber macht dir ein Geschenk und du nimmst es nicht an. Wem gehört dann dieses Geschenk? Deinem Gegenüber natürlich.
Genauso ist es mit der Kritik. Jemand gibt Kritik und offenbart darin sein Problem. Wem gehört dieses Problem? Genau, deinem Gegenüber.
Unsere Aufgabe ist es also nicht, die Probleme des anderen zu unseren zu machen, sondern bereit zu sein, das Problem zu beachten und gemeinsam nach Möglichkeiten und Lösungen zu suchen.
Beispiel für den Umgang mit einem Vorwurf:
„Du bist so unkollegial. Deine Arbeitshaltung geht gar nicht.“
Zugegeben, bei diesem Satz würde man sicher erst einmal schlucken und durchatmen.
Wenn ich mir nun vorstelle, dass dieser „unangenehm“ formulierte Vorwurf eine Selbstoffenbarung beinhaltet und der (in diesem Moment unter Stress und Anspannung) bestmögliche Versuch meines Gegenübers ist, ein Bedürfnis zu erfüllen, dann sollte ich genauer hinhören und nachfragen. Denn wenn wir ehrlich sind, kann hinter diesem Vorwurf so ziemlich alles stecken.
Mit der folgenden W-Frage kann dieser Vorwurf auf eine sachliche Ebene gebracht werden:
Nachfragen: „Was meinst du mit unkollegial„?
Mögliche Antwort: „Du hast gesagt, dass du mir alle Informationen aus der letzten Teamsitzung zukommen lässt. Und jetzt höre ich, dass ihr noch viel mehr besprochen habt, worüber ich nicht informiert wurde“.
Jetzt sind wir beim Thema und miteinander verbunden. Wir verstehen besser und bekommen ein Gespür für die Gefühle und möglichen unerfüllten Bedürfnisse des anderen.
Ein Mangel an Information kann ein Mangel an Sicherheit bedeuten.
Ein Mangel an Informationsweitergabe kann auch einen Mangel an Verbindlichkeit und/oder Rücksichtnahme bedeuten.
All das können Bedürfnisse sein, über die wir das Miteinander gestalten und verändern können.
Ein Lösungsversuch:
Nachfrage: „Fehlt dir Sicherheit und Verbindlichkeit?”
Antwort: „Ja, natürlich.”
Bedauern und Nachfragen: „Das tut mir leid. Da sind mir ein offensichtlich Informationen durchgerutscht, da will ich in Zukunft besser aufpassen.
Mir fehlt nur eine Idee, wie wir das sicherstellen können. Hast du eine?”
Oder Bedauern mit Lösungsidee: „Das tut mir leid. Ich schicke dir in Zukunft das ganze Protokoll, damit keine Informationen mehr untergehen. Oder hättest du andere Ideen?”
Weitere Ideen zum Umgang mit Vorwürfen und Konflikten findest du in meiner Online-Weiterbildung „Konfliktlöser:in“